„Ivory Caravan“
Die massenweise industrielle Verarbeitung von Elfenbein in Europa brachte mit sich, dass auch die Elefantenjagd auf dem afrikanischen Kontintent aufwendiger wurde. Das Kongobecken, wohin die Herden sich zurückgezogen hatten, war nur schwer zugänglich. Zudem stellte es eine große logistische Herausforderung dar, die bis zu 4 Meter langen Stoßzähne an den Küsten gelegenen zentralen Handelsniederlassungen zu transportieren – beispielsweise nach Sansibar.
„Afrikaner“ mit Elefantenhaut
Die Elefantenhaut unter den Arm geklemmt, scheint der junge Mann eben von der Jagd zu kommen. So stellte man sich in der Meissener Porzellanmanufaktur um 1750 Afrika vor. Bis westliche Ethnolog:innen den afrikanischen Kontinent zu studieren begannen und Anschauungsmaterial lieferten, sollte es noch eine Weile dauern. Den Modelleuren blieb daher nichts anderes übrig als dem Jäger eine ihnen bekannte, europäisch-antike Pose zu verpassen.
Figur eines christlichen Missionars
Diese Elfenbeinfigur verdankt sich der hohen Schnitzkunst in Loango (heute Gabun und Kongo). Bei der Darstellung handelt es sich um einen christlichen Missionar, offenbar mit gefeilten Zähnen, dessen Hut, Schuhwerk und Frisur europäischer Herkunft sind.
Hamburger Cithrinchen
Das »Cithrinchen« ist ein Zupfinstrument, der Laute verwandt. Es stammt aus der Werkstatt von Joachim Tielke, einem Hamburger Instrumentenbauer, und hat mehr zu bieten als nur den schönen Klang. Die aufwändigen Elfenbeinintarsien zeigen auf der Rückseite Diana, die (römisch-antike) Göttin der Jagd. Arabesken winden sich um den Korpus und Hals des fragilen Instruments.
Okimono in Gestalt einer Ägypterin
Netsukes gehören zum Feinsten der japanischen Schnitzkunst. Die kleinen „Knöpfe“ dienten zur Befestigung von Beuteln und Pfeifen am Gürtel des Kimono. In der Meiji-Zeit kam das traditionelle Gewand aus der Mode. Männer waren gehalten in der Öffentlichkeit Anzüge zu tragen.
Nachdem netsukes ihre Funktion weitgehend eingebüßt hatten, begannen die Schnitzkünstler nach anderen Absatzmärkten Ausschau zu halten. Dieses okimono aus Elfenbein erinnert an eine christliche Madonnenfigur. Doch Schleier und Perle machen deutlich, dass dies eine Fellachin, eine ägyptische Bäuerin ist. Die „Fellachin“ war ein orientalistisches Motiv der Zeit. Es zirkulierte beispielsweise auf Aufnahmen des Kairoer Fotostudios Lehnert&Landrock. Allerdings saßen in Kairo keine echten Bäuerinnen Modell, sondern Prostituierte oder Schauspielerinnen, die als Bäuerinnen verkleidet waren.
Stoßzahn
Es gibt viele Bilder, die sich Europäer:innen von Afrika gemacht haben. Der afrikanische Blick auf die Weißen existiert selbstverständlich auch, spielt von Ausnahmen wie Julius Lips abgesehen aber keine große Rolle in den Afrika-Abteilungen westlicher Museen. Robert Visser ging im späten 19. Jahrhundert als Verwalter von Kakao- und Kaffeeplantagen in den Kongo. Er sammelte afrikanische Artefakte, war aber auch ein emsiger Fotograf unter oft widrigen Bedingungen. Eines seiner bedeutendsten Sammlungsobjekte ist der Stoßzahn eines Elefanten. Vergleichbar den römischen Siegessäulen, an denen sich Triumphzüge spiralförmig emporwinden, bestand in Loango eine künstlerische Tradition, die Stoßzähne mit eingeschnitzten Narrativen zu versehen. Dazu gehörten Genreszenen, aber auch Szenen mit angeketteten Versklavten, Tiere und anderes mehr. Dieser Stoßzahn zeigt Visser selbst, als er seine Boxkamera in Stellung bringt. Daneben stehen Darstellungen, etwa ein Paar vor einer Hütte, die auf Vissers Fotos zurückgehen.
Der Stoßzahn ist heute Teil der Sammlung des Smithsonian National Museum of African Art
Elfenbeinlager
Noch zu Joachim Tielkes Zeiten war Elfenbein rar und dementsprechend wertvoll. Das sollte sich ändern, als die Europäer:innen dem Elefanten systematisch zu Leibe rückten, um seine Stoßzähne zu Billardkugeln, Klaviertasten und Knäufen von Spazierstöcken zu verarbeiten. Ein Blick ins Lager der Fabrik von Heinrich Christian Meyer, genannt »Stockmeyer«, lässt das Ausmaß der Schlachterei erahnen.
Spazierstöcke
Hans Christian Meyer – genannt „Stockmeyer“ – fertigte Spazierstöcke. Als Ausgangsmaterial dienten ihm Fischbein, Bambus, Zuckerrohr und später Kautschuk. Auch Knäufe aus Elfenbein gehörten zu Stockmeyers Produktpalette. Nicht nur beim Einsatz neuartiger, „exotischer“ Materialien aus Übersee war der Unternehmer ein Pionier. Als einer der ersten Hamburger Großindustriellen setzte er 1837 Dampfmaschinen ein und gründete für seine Belegschaft eine Fabrikkrankenkasse.
Die kleine Elfenbeinbüste von Ludwig Lücke (1717-1789) zeigt den hamburgischen Kaufmann und Verleger Johann Hinrich Dimpfel. Dimpfel war Vorsitzender der Commerz-Deputation (heute Handelskammer), seine Tochter mit dem deutschen Dichter der Empfindsamkeit, Friedrich Gottlieb Klopstock, verheiratet.
Opiumpfeife mit Elfenbeinmundstück
China wollte stets Bares (in der Regel Silber) für Seide, Tee und Porzellan. Westliche Produkte zum Tauschhandel gab es kaum. Eine Ausnahme war Opium, ein Rauschgift das sich bei der Elite großer Beliebtheit erfreute. Als die Briten immer mehr Opium aus ihrer Kronkolonie Indien einführten, schob der Kaiser dem Handel einen Riegel vor. Die westlichen „Freihändler“ in Kanton (dem Einfuhrhafen) ignorierten dieses Einfuhrverbot. Als chinesische Truppen dann ganze Ladungen mit Opium beschlagnahmten und zerstörten, erklärten das die Briten zum Kriegsgrund. Sie schickten ihre Marine, um Kanton und andere Küstenstädte anzugreifen. Damit begann der erste Opiumkrieg (1839 – 42), der mit einer chinesischen Niederlage endete. Als Folge des Krieges konnten die Westmächte Handelsstützpunkte (sogenannte „Vertragshäfen“) auf chinesischem Territorium errichten und die Form der Handelsbeziehungen nach eigenem Gutdünken und Vorteil diktieren. Die Opiumpfeife ist ein Mitbringsel vom Boxeraufstand. Wie die Zinnbecher gehört sie zum Hausstand des Urgroßenkels eines norddeutschen Marineoffiziers (Oberbottelier).