»…the Analytical Engine weaves Algebraical patterns, just as the Jacquard-loom weaves flowers and leaves…«
Ada Augusta, Countess of Lovelace, 1843

Archestrated Rhythmachine Komplexities (ARK)

ARKollective is a changing association of musicians, producers, writers, scientists and electronic MusickingThings, who*which perform heterochronicity and multi-track knowledge

Schlagzeug-Computer, Drum Machines, Rhythmus-Begleitautomaten – es sind buchstäblich nebensächliche Dinge, mit denen sich das ARKollective beschäftigt. Manche von diesen MusikmachDingen heißen sogar „Sideman“. Sie sind so konstruiert, dass sie im Abseits stehen, dass ihre Funktion, Schlagzeuger*innen zu ersetzen, nicht auffallen soll, dass der Aufwand, das Spiel mit ihnen zu erlernen, verschwindend gering ist. Sie haben nichts von der patchkabel-behangenen Erhabenheit großer modularer Synthesizer, ihnen fehlt aller verschwitzter Performance-Gestus elektrischer Gitarren.

Und das ARKollective? Das scheint ein Haufen von Nerds zu sein, die manche dieser fast vergessenen NebenSachen ins Zentrum rücken möchten. Die aus dem klickernden, klackernden Rotieren ihrer Drum Pattern etwas heraus (oder darin hinein) hören wollen. Die ein spezifisches rhythmaschinisches Wissen zu bergen versuchen, das in den Dioden Matrizen steckt, unter der Kunststoffabdeckung klebt, und in den suggestiven Preset-Titeln am Werk ist. Tatsächlich ist es so, dass die intensive Beschäftigung mit diesen Dingen paradigmatisch das kreative Gestalten oder die MusikGestalten „in den Ruinen des Kapitalismus“ (Anna Lowenhaupt Tsing 2018) und des Kolonialismus veranschaulichen kann:

Drum Machines sind vermeintlich erfunden worden, um die Trommler*innen mit ihren aufwändig herumzuschleppenden und auszusteuernden Instrumenten zu ersetzen. Insofern sind sie dienstbarer Teil des kolonialen und imperialen Verdinglichungsprozesses. Es sind Technologien, die der Logik des Kapitalismus folgen sollen. Die automatischen Rhythmusmaschinen – so lässt sich mit Norbert Wiener (1950) und/oder Kodwo Eshun (1999) formulieren – sind „das präzise ökonomische Äquivalent der Sklavenarbeit“. Drum Machines sind die Phantasie des synchronisierten, diskreten und damit verschleppbaren afrikanischen, afrokaribischen oder lateinamerikanischen Trommelchors. Die trommelnde Maschine ist immer auch ein technoider Exotismus. Ein scheinbar sauber verschließbarer Transportkoffer für eigentlich ortlose RhythmusMuster. Und er webt die verschlungenen Migrationsgeschichten in die Pattern selbst hinein – merke: auch der automatische Webstuhl war immer schon eine programmierbare Rhythmus-Maschine (Plant 1998). RhythmusMuster sind nicht-menschliches Gedächtnis – Rhythmatisches Random Access Memory. Rhythmus-Maschinen sind Zeitmaschinen, die Timing betreiben, die rhythmische Zeit technisch machbar machen, die eine globalisierte Geschichte der Uhr erzählen und dabei Geschichtlichkeit an sich umbauen. Sie sind optimal geeignet zur Inszenierung von Science Fiction. Und sie wurden, z. B. in Detroit, geborgen aus den Hinterlassenschaften und dem Schutt des einspurigen Fortschrittsglaubens.

Und das ARKollective verfolgt diese Kisten über den Globus, buddelt sie aus, horcht ihnen nach: Wer hat sie entwickelt? Wen haben sie verwickelt? Warum? Wer lehnt die Erfindung ab, wem machen sie Angst? Und wer hat andererseits mit ihnen als gleichwertiges, non-humanes Band-Mitglied Platten aufgenommen? Warum klingen sie für manche Musiker*innen seelenlos und nach ‚fake‘ und warum feiern andere sie gerade dafür? Warum sehen sie so aus wie Archen, wie Wurst-Waagen oder Kassenautomaten?

Das ARKollectives rückt das Ästhetische der Drum Machines, die EinDrücke, die sie hinterlassen, ins Zentrum. Dabei ermittelt es nicht auf einer vagen Grundlage. Das ARKollective hört ganz genau auf NebenGeräusche und trägt BruchStücke feinsäuberlich zusammen. Es betreibt – absolut metaphernfrei – BreakBeat Science. Gerade andersherum sind es die ach so logisch denkenden Ingenieure, die Wissen einfach erfinden, sind es christliche Missionare die fälschen, ist es das binäre Denken, das ZwischenZeiten und ZwischenGestalten unterschlägt. Das ARKollective hingegen tastet sich dicht an den leicht angegilbten Oberflächen der Maschinen entlang und liefert fundierte Spekulationen. Spekulative Fundierungen, die aber keinen bodenständig sicheren Stand suchen – dem ja nur allzu leicht eben dieser Boden unter den Füßen wieder abhanden kommt –, sondern eine tänzerische Balance. Ein Tanz auf und mit den Maschinen:

Die Schalterleiste der Rhythmusmaschine, mit den Bezeichnungen »Latin«, »American« »Traditional«, ist ein Display des »Black Atlantic« – ein post-kolonialer Atlas, der auch die traumatischen Routen der Versklavung sowie die transnationalen Beat-Präsenzen in einem kastenförmigen Schiff, einer Arche, sammelt. // Die Geschichte der Drum Machines ist eine Geschichte der Raubkopie, eine Geschichte der Clones und der Simulation der Simulationen. // Im 17. und 18. Jahrhundert waren am Hof des chinesischen Kaisers Musikdosen sehr beliebt. Sie wurden zu einem sehr wichtigen Element der Missionspolitik und der westlichen Diplomatie. Und apropos ›Shanzai‹ die ersten Musikdosen-›Faker‹ waren Schweizer Jesuiten. // »Latin Rhythms« sind auch eine Erfindung japanischer Elektronik-Ingenieure in den 60er-Jahren. Die Rhythmus-Maschine ist eine Traditions-Gravur-Maschine. // »Drum Machines have no soul!« – druckt John Wood in Kalifornien auf einen Sticker, um damit gegen die von ihm befürchtete »Dehumanization of American Music« zu wettern. Wem es um Eigentlichkeiten wie ›American Music‹ geht, dem muss eine Uneindeutigkeit wie eine Maschine, die Musik macht, verunsichern. // Die Geschichte technischer Automaten ist eine Geschichte der faszinierten Angst. Faszinierendes ›Anderes‹. Angst vor der menschlichen/männlichen Ersetzbarkeit. Angst vor der Täuschung.

Für Mobile Welten hat sich für sechs Monate ein maschinischer Trommelchor ordentlich im Museum aufgestellt, der solche BreakBeats erzählt. Echte, allzu menschliche Trommler*innen sind weder zu sehen noch zu hören, denn in Drum Machines stecken ja auch keine Trommeln mehr. Der Chor aber steht da und lädt Besucher*innen ein, beim falschen Spiel richtig mitzuspielen.

 

Literatur

Kodwo Eshun (1999): Heller als die Sonne. Abenteuer in der Sonic Fiction. Berlin: iD Verlag.

Anna Lowenhaupt Tsing (2018): Der Pilz am Ende der Welt. Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus. Berlin: Matthes & Seitz.

Sadie Plant (1998): nullen + einsen. Digitale Frauen und die Kultur der neuen Technologien. Berlin: Berlin Verlag.

Norbert Wiener (1950): The Human Use of Human Being. Cybernetics and Society. London: Free Association Books.