Spazierstöcke
Hans Christian Meyer – genannt „Stockmeyer“ – fertigte Spazierstöcke. Als Ausgangsmaterial dienten ihm Fischbein, Bambus, Zuckerrohr und später Kautschuk. Auch Knäufe aus Elfenbein gehörten zu Stockmeyers Produktpalette. Nicht nur beim Einsatz neuartiger, „exotischer“ Materialien aus Übersee war der Unternehmer ein Pionier. Als einer der ersten Hamburger Großindustriellen setzte er 1837 Dampfmaschinen ein und gründete für seine Belegschaft eine Fabrikkrankenkasse.
Kautschukballen
Mit dem Aufkommen synthetischer Produkte verlor der Naturkutschuk seine wirtschaftliche Bedeutung. Bei der Entwicklung der Kunststoffe war das deutsche Kaiserreich federführend. Es verfügte über weniger Kolonien als seine Rivalen und damit auch über weniger Rohstoffe. Diesen Mangel suchte die heimische Chemieindustrie auszugleichen.
Ward’scher Kasten
Der britische Naturforscher und Biopirat Henry Wickham schmuggelte 70.000 Kautschuksamen aus Amazonien nach London. In Kew Gardens, den botanischen Gärten in London, gelang ihm die Aufzucht von 2000 Sätzlingen. Diese Sätzlinge wurden auf britischen Plantagen in Südostasien und Afrika hochgezogen. So konnte England seinen industriellen Bedarf an Gummi sichern.
Fordlandia
Der halbstündige Film von Smith entführen uns in den brasilianischen Dschungel. Dieser wusste in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einem spektakulären Industrialisierungsversuch zu trotzen. In den 1920er Jahren verfolgte Henry Ford die Idee, den Kautschuk in Amazonien anzubauen und in einem riesigen Fabrikkomplex von mehreren tausend indigenen Arbeiter:innen direkt verarbeiten zu lassen. Vom Gummireifen bis zur Maschinentechnologie war Kautschuk ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Industrie. Fords Pläne scheiterten aus vielerlei Gründen: Die Arbeiter:innen sabotierten den Import von amerikanischem Kleinstadtleben (inklusive schlechtem Essen); die Setzlinge wurden zu dicht gepflanzt und schufen ungewollt Biotope für Pflanzenschädlinge und Giftschlangen. In kontemplativen Bildern studiert Smith die gewaltige Industrieruine und schafft ein visuelles Epos über die Widerstandskräfte der Natur.
»African Terminal« Transaktion II
Team: African Terminal Business School African Termial Fotos: Robin Hinsch, Daniel Ladnar, Tim Kaiser
Jürgen Stollhans
Jürgen Stollhans: Weit werden wir nicht kommen, 2018
Dispersionsfarben auf Leinwand
Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers
Werbeplakat der Hamburger Gummi-Waaren Compagnie
Bevor die Briten in Südostasien Kautschukbäume anbauten, kam Naturkautschuk meist aus Amazonien. In sprechendem Kontrast zu den Realitäten der Gummiproduktion zeigt das Plakat eine indigene Kleinfamilie, die in bürgerlich-idyllischer Manier ihrer Arbeit nachgeht.
Hercules Sägemann Werbekamm
Das Hamburger Traditionsunternehmen „Hercules Sägemann“ ging aus einer Tochterfirma von H.C. Meyer („Stockmeyer“) hervor. Die Gründung verdankte sich dem Zufall. Bei Experimenten mit Hartgummi, ein damals neues Material, erwies sich dessen besondere Eignung für Kämme. Und so gründeten die Meyers eine eigene Kamm-Fabrik. Noch heute fabriziert Hercules Sägemann Kämme aus Naturkautschuk, die keinerlei Gussnähte aufweisen und besonders elastisch sind. Bei der globalen Schwarzen Community erfreuen diese sich großer Beliebtheit, wie zahlreiche Youtube-Tutorials belegen.
Plastikschale
Gegenstände aus Gutta Percha
Auf der ersten Weltausstellung in London wurde eine neue Erfindung vorgestellt: industriell hergestellte Möbel und Alltagsgegenstände aus Kautschuk. Dem Architekten und Kunsttheoretiker Gottfried Semper, der sich für die „materialgerechte“ Formgebung einsetzte, war dieser ornamentale Exzess ein Dorn im Auge:
„Ein wichtiger Naturstoff hat erst in neuester Zeit auf dem ganzen weiten Gebiete der Industrie eine Art von Umwälzung hervorgebracht, und zwar vermöge seiner merkwürdigen Gefügigkeit, mit welcher er sich zu allen Zwecken hergibt und leiht. Ich meine das Gummi elasticum oder den Kautschuk , wie er auf Indisch benannt wird, dessen stilistisches Gebiet das weiteste ist,
was gedacht werden kann, da seine fast unbegrenzte Wirkungssphäre die Imitation ist. Dieser Stoff ist gleichsam der Affe unter den Nutzmaterien….Bei einer solchen Materie steht einem Stilisten der Verstand still!“ (Gottfried Semper, 1860)
Gegenstände aus Gutta Percha von der Gutta Percha Company, The Great Exhibition, London, England, 1851, Foto: Claude-Marie Ferrier. Mit freundlicher Genehmigung des Royal Collection Trust
Transatlantisches Telegraphenkabel
Die Möglichkeit der direkten Kommunikation zwischen Europa und den USA verdankte sich einem Kupferkabel, das unter dem Atlantik verlief. Vor dem Salzwasser geschützt wurde es durch eine dreifache Isolierschicht aus Gutta – eine Latexart, die aus Malaysia stammt.
Taschen Styler
Das Hamburger Traditionsunternehmen Hercules Sägemann ist aus einer Tochterfirma von H.C. Meyer (seinerzeit bekannt unter dem Namen „Stockmeyer“) hervorgegangen. Ihre Gründung verdankt sich einem Zufall: Da sich beim hauseigenen Herumexperiementieren mit dem neuen Material Hartgummi gezeigt hatte, dass es sich besonders gut für die Herstellung von Kämmen eignete, hatten die Meyers kurzerhand beschlossen, eine eigene Kamm-Fabrik zu gründen. Noch heute stellt Hercules Sägemann Kämme aus Naturkautschuk her und vertreibt sie u.a. bei Budni, aber auch weltweit. Weil er keine Gussnähte hat und das Material besonders elastisch ist, erfreut sich der Sägemann-Kamm insbesondere bei der Schwarzen Community großer Beliebtheit.